Wenn ein Baby unterwegs ist, dreht sich alles nur um eines: das Baby. Weil es die sichtbare Veränderung ist am Babykriegen. Man sieht erst die Ultraschallbilder, später den wachsenden Bauch und wenn es dann da ist sieht man das Baby.
Dabei wird nicht nur ein Kind geboren, sondern auch eine Mutter und ein Vater. Aber das sieht man nicht, weil sie als Partner schon vorher da waren. Aus der gewohnten und bekannten Partnerschaft wird eine ungewohnte und unbekannte Familie. Und genauso, wie das Baby die Welt kennenlernen muss, müssen Mutter und Vater die Welt neu kennen lernen, in ihrer neuen Rolle als Eltern. Diese Rolle bleibt ab jetzt für immer, man kann sie nicht an der Garderobe abgeben.
Um in ihrer neuen Rolle anzukommen brauchen Eltern genauso viel Zeit, wie das Baby zum Wachsen. Mutter und Vater brauchen Zeit, um die Welt neu kennen zu lernen; Zeit, um ihr Baby kennen zu lernen; Zeit, um sich selbst neu kennen zu lernen und Zeit, um sich gegenseitig neu kennen zu lernen. Denn ein Kind zu bekommen ist die größte Veränderung im Leben der Eltern.
Eine Veränderung ist ein Prozess und kann nur mit Bedacht und langsam vollzogen werden, damit sie gut wird. Eine Hauruck-Veränderung hinterlässt immer Spuren; nicht selten sogar Verletzungen mit langem Heilungsprozess und Narben.
Die Zeit ist hier der Schlüssel für eine gute Veränderung und sie zieht sich durch unser ganzes Leben. Wir kommen nicht auf die Welt und können sofort sprechen. Wir brauchen Zeit, um es zu lernen. Wir laufen nicht plötzlich an unserem ersten Geburtstag los - wir brauchen Zeit, um es zu lernen und bis wir es richtig können werden wir oft umfallen und wieder aufstehen.
Wir kommen nicht aus dem Studium oder der Ausbildung und bekommen sofort das traumhafteste Jobangebot und sind direkt erfolgreich. Sondern wir brauchen Zeit, um unseren Platz im Job zu finden, dazu zu lernen und uns zu beweisen.
Alles braucht Zeit, damit es gut werden kann: Jedes Buch eines Schriftstellers, jede neue Platte eines Musikers, jede neue Beziehung. Für alles, was wir lernen, brauchen wir Zeit.
Und deshalb müssen wir uns auch Zeit lassen und Zeit nehmen, um Eltern zu werden und um zu lernen, wie das Familienleben funktioniert. Ab der Geburt sind wir zwar rein physisch bereits Eltern, aber mental brauchen wir sehr viel länger, um unsere neue Rolle anzunehmen und sie so zu gestalten, dass es uns damit gut geht.
Wenn uns das bewusst ist nehmen wir automatisch den Druck raus, den wir selbst an uns haben und können auch besser mit dem Druck umgehen, den die Gesellschaft an uns hat. Wir können uns jeden Tag sagen: „Ich bin eine Mama/ ein Papa, das ist neu für mich. Ich lerne jeden Tag dazu und werde stetig immer besser.“
Wie im Job wächst man an seinen Aufgaben, so ist es auch mit dem eigenen Kind. Die Eltern wachsen mit dem Kind mit. So wie das Kind größer und sicherer wird, werden wir als Eltern erfahrener und selbstsicherer. Mit der Zeit.
