Friedliche Trennung - über den eigenen Schatten springen

Kein Liebespaar, was gemeinsam Kinder hat, trennt sich leichtfertig. Keines. 

 

Manche stellen sogar ihr eigenes Glück völlig hintenan und bleiben als Eltern zusammen, obwohl sie sich nicht mehr lieben. Davon kann man halten was man mag, aber ich denke, dass davon weder die Kinder noch die Eltern etwas haben und den Kindern damit vermittelt wird, sein eigenes Glück hintenan zu stellen. 

Wir sind auf der Welt, um unsere Vorstellung von Glück zu finden und zu leben. Das geht nicht, wenn man sich dauerhaft verbiegen und verstellen oder sogar leiden muss, weder im Beruf und schon gar nicht im Privatleben. Gegen die eigenen Bedürfnisse zu leben macht auf Dauer psychisch und physisch krank.

 

Wenn ein Elternpaar (oder nur eine*r der beiden) entschieden hat, sich zu trennen, geschieht das wohlüberlegt, weil dieser Gedanke sehr lange reift. Alle Eltern lieben ihre Kinder und möchten ihnen deshalb eine Trennung und die damit verbundenen Gefühle am liebsten ersparen. Viele arbeiten an ihrer Beziehung und versuchen viel, damit sie erhalten bleibt. Wenn das nicht gelingt, ist die Trennung der nächste Schritt.

Liebe zwischen Erwachsenen funktioniert anders als Liebe zwischen Eltern und Kindern. Liebe zwischen Erwachsenen ist im Gegensatz zur Liebe zu Kindern nicht unendlich und braucht Zuwendung und Pflege, damit sie erhalten bleibt. Und manchmal genügt das nicht. Wenn sich beide Elternteile in unterschiedliche Richtungen entwickelt und eine andere Vorstellung vom Leben haben, reicht die Liebe und die gemeinsame Idee, die man mal hatte, nicht mehr aus.

 

Irgendwann wird es dann ausgesprochen, irgendwann die finale Entscheidung zur Trennung gefällt, entweder ein – oder beidseitig. Und dann kommen Fragen, wie: "Wie soll es nun weitergehen? Wie sagen wir es dem Kind? Was sagen wir dem Kind? Was können wir tun, damit es für unser Kind so leicht wie möglich und so wenig verletzend wie möglich wird?"

 

Die Antwort auf all diese Fragen ist in der Theorie einfach und gleichzeitig in der Praxis für die meisten schwer umsetzbar: In dem die Eltern sich gegenseitig fair behandeln und das Kind und dessen Wohlergehen in den Vordergrund stellen.

 

Fakt ist: Die Trennung der Eltern wird die Kinder verletzen und sie werden darunter leiden. In welchem Umfang jedoch, das wird maßgeblich durch das Verhalten der Eltern nach der Trennung bestimmt. 

 

Zunächst sollte man wissen, dass Kinder nach der Trennung der Eltern trauern, aber nicht auf die selbe Art und Weise, wie Erwachsene es tun; also nicht direkt ab der Trennung für einen bestimmten Zeitraum und in diesem geballt sondern über einen längeren Zeitraum und darin in kurzen Phasen immer mal wieder. Die Trauerphase bei Kindern dauert meist 3-4 Jahre. Wenn Kinder einen Trauermoment haben kann sich das zum Beispiel darin äußern, dass sie zwischendurch plötzlich ohne erkennbaren Grund traurig sind, sich plötzlich wesentlich jünger verhalten als sie es sind und/oder Dinge ansprechen, die direkt mit der Trennung zu tun haben. 

 

Getrennte Eltern sollten sich um den Trauerprozess ihrer Kinder bewusst sein, denn oft wird angenommen, dass die Kinder bereits „über den Berg sind“, obwohl dies gar nicht der Fall ist. 

Nur, weil das Kind direkt nach dem Trennungsgespräch wieder in sein Zimmer geht und spielt, als ob nichts gewesen wäre, heißt das nicht, dass es nicht traurig ist. Nur, weil es mit den neuen Partner*innen gut auskommt und Spaß hat, heißt das nicht, dass es nicht traurig ist. Nur, weil die Trennung schon 3 Jahre her ist und alle sich gut eingelebt haben, heißt das nicht, dass es nicht mehr traurig ist. Das Trauma der Trennung ist stets vorhanden, auch wenn es nicht immer präsent ist. 

 

Um das Wohlergehen des Kindes in den Vordergrund zu stellen ist es also wichtig, diesen Trauerprozess zu verstehen. Und immer wieder in den Momenten besonders verständnisvoll und fürsorglich zu sein, wenn das Kind plötzlich auf irgendeine Art seine Trauer zeigt und die Nähe beider oder mindestens eines Elternteiles ganz besonders braucht. Damit es gesehen wird und spürt: „Mama/Papa sind für mich da. Ich bin nicht allein mit meinem Schmerz.“ Das nimmt nicht den Schmerz, aber es lindert ihn und hilft dem Kind, einen guten Umgang mit der Tatsache zu finden, dass seine Eltern nicht mehr gemeinsam zu seiner Verfügung stehen.

 

Wichtig für das Kind nach einer Trennung ist nicht nur der Umgang der Eltern mit dem Kind sondern auch der Umgang der Eltern untereinander. Getrennt sein bedeutet nicht, die Verantwortung als Mutter oder Vater abgeben zu können. Als Eltern tragen wir solange die Verantwortung für unsere Kinder, bis sie diese selbst übernehmen können, und zwar im besten Fall immer noch gemeinsam. 

Nur, weil man nicht mehr zusammenlebt heißt es nicht, dass man nicht mehr an einem Strang ziehen soll, denn die Trennung als Liebespaar ist nicht gleichzusetzen mit der Trennung als Eltern. Daher sollte die Beziehung der Eltern von beiden auch nach der Trennung entsprechend ernst genommen und mit Respekt gepflegt werden.

 

Es ist sicherlich eine der herausforderndsten Aufgaben nach einer Trennung, weiterhin mit der*m Ex-Partner*in regelmäßig in Kontakt zu bleiben und einen respektvollen Umgang zu finden. Vor allem dann, wenn der Trennung Verletzungen, Demütungen oder Ähnliches vorausgingen. Niemand kann verlangen, dass direkt nach der Trennung Harmonie zwischen den Getrennten herrscht, das ist äußerst selten der Fall. Aber zum Wohle der gemeinsamen Kinder darf sehr wohl erwartet werden, dass man über seinen Schatten springt und das andere Elternteil seines Kindes genauso behandelt, wie man es sich selbst wünscht: ohne Groll, ohne Schuldzuweisungen, ohne schlechte Nachrede und stattdessen mit Respekt, Achtung und Verständnis; in der Kommunikation und dem Verhalten miteinander.

 

Das geht nicht von heute auf morgen, aber jedes Elternteil kann für sich die Entscheidung treffen, es so gut zu machen, wie möglich. Das ist der wichtigste Schritt zu einer friedlichen Trennung. Falls der gemeinsame Dialog nicht oder nur schwer möglich ist, kann man sich Hilfe von außen holen. Was viele Paare während der Beziehung nicht getan haben, tun sie spätestens nach der Trennung: sie gehen zur Paarberatung. Und das ist gut und hilfreich, für die Eltern und vor allem auch für die Kinder. 

Solange unsere Kinder leben bleiben wir als Eltern miteinander verbunden, ob wir wollen oder nicht. Wir können die Art und Weise dieser Verbundenheit selbst gestalten, es liegt in unserer Verantwortung.