Wie wollen wir wohnen?

Das Pandemiejahr hat Familien auf vielen Ebenen mächtig herausgefordert. So sehr wir vor Corona die kuscheligen Sonntage im Pyjama genossen haben: Wir alle wissen jetzt, dass wir nicht dafür gemacht sind, ein Jahr lang täglich einen Familiensonntag plus Erwerbs- und Care-Arbeit, plus Homeschooling usw. zu erleben.

 

Wir brauchen Bewegung, Abwechslung, Forderung und Förderung, Kontakt zu anderen Menschen und wir brauchen innerhalb einer Familie regelmäßig Abstand voneinander, auch wenn wir uns noch so sehr lieben. Gerade räumlich hatten wir dazu während der Pandemie selten Gelegenheit. Selbst die größte Wohnung oder das größte Haus mit XXL-Garten konnten nicht groß genug sein, um uns in gesundem Maße aus dem Weg gehen zu können. 

 

Hier in Berlin ist großer Wohnraum Mangelware. Ohne Glück oder prall gefülltem Konto sind 100qm zu viert schon Luxus. Der nichtvorhandene Garten wird meistens durch den nächstgelegenen Park ersetzt. Das Leben in einer Millionenstadt mit unzähligen Möglichkeiten hat eben seinen Preis: eingeschränkte Freiheit im Wohnraum. 

 

Es verwundert also nicht, dass stetig neue Wohnmodelle entstehen: Familien schließen sich zum Beispiel zu einer Gemeinschaft zusammen, kaufen alte Bauernhöfe in Brandenburg und fliehen aus der Stadt. Das Berliner Umfeld ist heiß begehrt und bereits so hoch frequentiert, dass die Kauf- und Mietpreise Stadtniveau erreichen und das Angebot schrumpft.

 

Wer keinen Arbeitsweg von mindestens einer Stunde haben möchte, wer seinen Kiez, sein städtisches Umfeld und die Privilegien, die das Stadtleben mit sich bringen, nicht gegen Landluft eintauschen möchte, der muss erfinderisch werden. Manche Paare sichern sich ihre Single-Wohnungen durch Untervermietung als Backup oder ziehen gar nicht erst zusammen. 

 

Diese Möglichkeit wird mittlerweile auch von einigen Eltern gelebt. Ein gemeinsames Kind verpflichtet schließlich nicht zwingend zu einer gemeinsamen Wohnung. Oder doch? Als Elternpaar nicht zusammen zu leben ist uns (noch?) fremd. Fühlt es sich komisch an, ein Familienleben zu führen, wenn die Partnerin oder der Partner nur zu Besuch da ist? Wie erklärt man dem Kind, dass Mama/Papa woanders wohnt? Viele Fragen drängen sich auf. Warum sollte man nicht als Familie zusammenleben?

 

Als moderne Eltern streben wir nach Gleichberechtigung. Beide Elternteile wollen sich beruflich verwirklichen und die Kinderbetreuung fair untereinander aufteilen. Ein großes Ziel dahinter ist es, eine gute Balance zu finden zwischen unserer eigenen Autonomie und unserem Wunsch nach Gemeinschaft. Wir wollen uns selbst verwirklichen und gleichzeitig ein glückliches Familienleben führen. 

So ist es auch beim Wohnen. Wir freuen uns, nicht immer allein zuhause zu sein, genießen aber auch die Momente sehr, in denen wir es sind. Können wir uns frei entfalten, wenn wir unseren Wohnraum miteinander teilen, oder fällt es uns schwer? Ist es immer eine Lösung größeren Wohnraum zu suchen, indem jeder genug Rückzug hat? Und wieviel ist eigentlich genug Rückzug, reicht ein eigenes Zimmer für jeden? 

Oder wäre es auch denkbar, dass jeder seinen eigenen Wohnraum hat, dass wir, anstatt eine 6-Zimmer-Wohnung zu suchen, zwei 3-Zimmer-Wohnungen haben? Dass wir uns räumlich abwechseln mit der Kinderbetreuung und dadurch mehr Freiheit als Individuum genießen? Dass jeder regelmäßig durch- und ausschlafen kann in seinen eigenen 4 Wänden und alle trotzdem am nächsten Tag zusammen in Familie einen Ausflug machen? Klingt das befremdlich oder nur ungewohnt?

 

Gekippter Mietendeckel und steigende Nachfrage auf dem Wohnungsmarkt stehen dem Wunsch nach ausreichend Platz im gemeinsamen Familienheim oft im Weg, gerade in Städten wie Berlin, München, Hamburg. Wir müssen also neue Wege finden und Wohnen neu denken. Und dazu für uns definieren, wie wir wohnen wollen. Wir müssen nicht dem klassischen Familienwohnmodell folgen, sondern dürfen experimentieren und herausfinden, was für uns gut funktioniert. Fernab von Erwartungen und Klischees. Wir müssen nichts und dürfen alles. Denn darum geht es: traditionelle Rollen- und Familienmodelle sollten uns nicht daran hindern, unseren individuellen Weg zu gehen, sowohl allein als auch als Familie. 

 

Seid ihr mit eurem Wohnmodell zufrieden? Was funktioniert und was nicht? Könntet ihr euch vorstellen, als Familie getrennt zu wohnen?