Über das Wort "und" und seine Macht

Das Wort „und“ ist meines meiner Lieblingswörter und ich finde, es wird in unserer Sprache unterschätzt.

 

Alles im Leben hat zwei Seiten. Es gibt nicht nur positiv oder negativ, es gibt beides. Sonne und Schatten. Sommer und Winter. Glück und Leid.

Alles hat eine Gewinn-Seite und eine Preis-Seite – in der Sonne ist es zu heiß, im Schatten zu kühl. Des einen Glück kann des anderen Leid sein. Manchmal muss man etwas genauer hinsehen, um das zu erkennen – sogar der Lottogewinn hat seine Schattenseiten und seinen Preis.

 

Seitdem mir das bewusst ist beobachte ich, wie wir sprachlich oft eine dieser beiden vorhandenen Seiten ausschließen. Indem wir z.B. sagen „Ja, ich war sauer und gemein zu dir. Aber du hast mich vorher auch wirklich verletzt.“ Dieses „aber“ macht, dass sich die andere Person schlecht fühlt, und es relativiert das eigene Fehlverhalten. Oder „Es tut mir leid, aber ich konnte nicht anders“ - Das ist keine Entschuldigung, sondern eine Rechtfertigung.

Das „aber“ hat anklagenden Charakter. Es kann bei der anderen Person dazu führen, dass sie sich nicht gesehen und verstanden fühlt, vielleicht auch weniger wertvoll.

 

Wie klingt es, wenn wir anstatt „aber“ „und“ einsetzen? „Es tut mir leid. Und ich konnte nicht anders.“ „Ich war sauer und gemein zu dir. Und du hast mich verletzt.“ 

Das „und“ macht beide Seiten sichtbar. Es verdeutlicht die Gleichzeitigkeit der Dinge. Und gibt damit beiden Seiten Raum. „Und“ verurteilt nicht, es bewertet nicht. Das „und“ ist konstruktiv und respektvoll.

 

Du möchtest mehr Nähe. Und ich brauche mehr Abstand.

Ich bin gerade glücklich. Und du bist unglücklich.

Ich bin schon müde. Und du möchtest noch nicht schlafen.

Du möchtest jetzt gehen. Und ich möchte noch bleiben.

Du willst jetzt gern mit deinen Freunden spielen. Und du hast noch Hausaufgaben auf.

Ich arbeite gern. Und ich kann mich schlecht organisieren.

 

Das „und“ unterstreicht die Feststellung der beiden vorhandenen Seiten. Es beobachtet den Zustand. Es ist neutral. Dadurch hilft es, Lösungen zu finden und es kann Konflikte vermeiden.

 

Ich finde, wir sollten öfter „und“ sagen.